Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind derzeit noch nicht abzusehen. Deutlich wird aber, dass die Stilllegung der Wirtschaft in Deutschland der Entwicklung eine erhebliche Delle zufügen wird. Über die Folgen sprachen wir mit Unternehmensberater Matthias Krebs, der die Branche seit vielen Jahren und dort beide Seiten kennt: Hersteller und Handel.
ProfiBörse: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein, werden die Auswirkungen auf die Wirtschaft über denen von 2008/2009 oder 2001 liegen?
Krebs: Das ist derzeit noch nicht ganz einzuschätzen und liegt wesentlich daran, wie lange der verordnete Stillstand dauert. Aber die die entstehende Delle wird groß werden, voraussichtlich größer als bei den von Ihnen angesprochenen Krisen. Viele Unternehmen werden in den nächsten Monaten um die Existenz kämpfen müssen, zumal auch zu bedenken ist, dass sich nach einem wochenlangen Stillstand nicht einfach ein Schalter umlegen lässt. Manche Branchen können sicher schnell wieder zu einem Normalmodus zurückkommen, andere benötigen dafür viel Zeit. Und der ausgefallene Umsatz lässt sich in vielen Bereichen nicht einfach nachholen, denken wir nur an die Messebauer oder auch an Dienstleistungen, die dann nicht doppelt gebraucht werden.
Sicher wird politisch viel unternommen, um die Auswirkungen abzufedern. Ein falsches Signal wird meines Erachtens aber damit gesendet, dass junge Unternehmen oft aus der aktuellen Unterstützung herausfallen, nicht zuletzt, da sie häufig noch in einer Investitionsphase stecken und damit bei der Kreditvergabe schlecht abschneiden. Das wird dazu führen, dass Neugründungen die Krise nur schwer überleben können und die Gründungswilligkeit im Land noch weiter nach unten geht. Es gibt vieles, das hier nachgebessert werden muss, dieses aber sicherlich sehr schnell.
ProfiBörse: Die Krisensituation trifft Hersteller wie Händler und Sie kennen beide Seiten. Welche Unternehmen haben Ihrer Einschätzung nach die besseren „Durchhaltechancen“?
Krebs: Das ist natürlich individuell sehr verschieden, aber aus meiner beide Seiten gut kennenden Sicht sehe ich viele Hersteller als besser aufgestellt an. Hier finden sich Strukturen, die eine Finanz- und Liquiditätsplanung nicht nur außerhalb der Krisenzeiten ermöglichen und die sicher jetzt greifen. Gerade bei kleineren Handelsunternehmen ist eine solche Planung nur teilweise vorhanden, so dass hier noch stärker von Tag zu Tag entschieden werden muss. Gerade für diese Zielgruppe haben wir ja unseren 360-Grad-Fachhandelscheck entwickelt. Aber natürlich gibt es in beiden Bereichen auch Unternehmen, die über eine solide Liquidität und Eigenkapital verfügen und in der Krise gut aufgestellt sind.
ProfiBörse: Wird es aus Ihrer Sicht zu einem Überdenken der Lieferketten kommen und dadurch ein Made in Europe wieder verstärkt umgesetzt und nachgefragt?
Krebs: Vorab: Ich bin leidenschaftlicher Europäer und würde genau das sehr begrüßen, da wir jetzt eindrücklich sehen, wie abhängig wir sind. Aber wir müssen in unseren Einschätzungen auch realistisch sein und ich vermute, dass es über ein kurzfristiges Überlegen, die Lieferketten zu ändern oder die Lagerbestände hochzufahren, kaum hinausgehen wird. Vieles, auch im Werkzeugsektor, lässt sich in Asien heute in der einigermaßen gleichen Qualität fertigen, nur preiswerter. Und da das Preisargument beim Verkaufen nach wie vor einfacher wirkt als eine Kosten-Nutzen-Argumentation, werden sich die Dinge wieder in die Vor-Corona-Verhältnisse entwickeln.
ProfiBörse: Werden die Handelsunternehmen jetzt noch stärker in den E-Commerce und die Digitalisierung getrieben und bestehen überhaupt noch Chancen für PVHler, die bislang diese Fragestellungen eher am Rande bearbeitet haben?
Krebs: Trotz der Erlaubnis, an professionelle Kunden weiter zu verkaufen, merkt der PVH aktuell natürlich, dass die Umsätze zurückgehen. Da kann der Ausbau des E-Commerce eine Option sein. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass dies nicht schnell in der Krise umgesetzt ist. Die Einbindung in eine Digitalstrategie und saubere Prozesse bleiben auch in der aktuellen Situation Pflicht. Wenn diese Voraussetzungen bislang nur unzureichend gegeben sind, hilft auch ein schneller Einstieg jetzt nichts. Und ich bleibe auch jetzt bei meiner Meinung: Nicht jeder PVHler muss einen eigenen Onlineshop haben.
ProfiBörse: Ist die Corona-Krise die Stunde der Marktplätze im Netz?
Krebs: Marktplätze sind jetzt, wie sonst auch, eine Option. Aber ich muss mich wiederholen: Auch Aktivitäten auf Marktplätzen müssen in die Strategie des Handelsunternehmens passen und erfordern zudem eine Anpassung in der Sortimentsstrategie. Hier mit einem Bauchladen aufzutreten, ist sicher nicht zielführend. Da hilft eine konsequente Spezialisierung offline wie online dann mit eigenem Shop weiter. Einen Onlineshop aber als Statussymbol oder aus einem aktuellem Aktionismus heraus zu betreiben, kostet auf lange Sicht einfach zu viel.
ProfiBörse: Keine Mieten von großen Konzernen für ihre Läden, Entlassen statt Kurzarbeit – auch das sind Reaktionen auf die Krise. Glauben Sie an ein anderes Wirtschaften nach der Corona-Pandemie?
Krebs: Da ist es ein wenig wie mit den Lieferketten. Derzeit wird sich oft solidarisch gezeigt, hinter der Solidarität versuchen aber auch immer wieder Unternehmen, das Beste für sich herauszuholen. Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überraschen, oft wird es aber bei der verengten Sicht auf die Vorteile fürs eigene Unternehmen bleiben und die Vorteile für die Allgemeinheit werden nicht in den Blick genommen.
Was sich aber ändern wird, ist die Einstellung zum Homeoffice. Hier wird, durch die aktuellen, in diesem Ausmaß noch nie gesammelten Erfahrungen, der Druck von Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Unternehmen sicherlich steigen.
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