Nachdem die Werkzeugumsätze im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr noch leicht um 2,1 Prozent auf ca. 5 Mrd. Euro gestiegen waren, haben ab dem Frühjahr 2020 die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch die deutsche Werkzeugindustrie hart getroffen. Bei erkennbarem Erholungskurs nehmen aber auch die Unsicherheitsfaktoren aktuell zu.
Die FWI-Umfrage für den Zeitraum Januar bis September 2020 zeigt dramatische Rückgänge der Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: Bei den Inlandsaufträgen meldeten 47 Prozent der Firmen einen Einbruch um mehr als 10 Prozent und bei den Auslandsaufträgen 51 Prozent der Firmen. Auch wenn die Beurteilungen der aktuellen Situation von Monat zu Monat abhängig von den jeweiligen Zielbranchen besser ausfallen, können diese Einbußen bis zum Jahresende 2020 nicht mehr kompensiert werden.
Das FWI-Geschäftsklima ist im September 2020 nunmehr im vierten Monat in Folge um insgesamt mehr als 70 Punkte angestiegen und liegt bei -4,1 Punkten. Der Tiefpunkt lag im April 2020 bei -77 Punkten. Die Kurve zeigt noch einen V-förmigen Verlauf. Dieser Trend wurde durch den bereits seit Mai 2020 positiven Saldo der Erwartungen in den FWI-Umfragen vorausgesagt. Im Vergleich dazu dauerte es während der Finanzkrise 2008/2009 fast ein Jahr, bis das FWI-Geschäftsklima nach einem ähnlich tiefen Fall wie 2020 wieder die neutrale Nulllinie erreicht hatte.
Im September 2020 beurteilten nur noch 24,6 Prozent der Firmen die aktuelle Lage mit der Note „unbefriedigend“. Der Anteil der Werkzeughersteller mit Kurzarbeit fiel im September von zwischenzeitlich 70 Prozent auf etwa 51 Prozent.
Doch noch ist die Krise nicht überstanden: Im September 2020 waren die Erwartungen der Firmen wieder schlechter als im Vormonat: Nur noch 20,6 Prozent der Firmen (drei Prozent weniger als im August) erwarten eine Konjunkturerholung in den nächsten sechs Monaten. Über 60 Prozent der Unternehmen erwartet keine Veränderungen und ca. 18 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung der Geschäftslage. Hierzu tragen sicher auch weitere Verunsicherungen durch politische Einflüsse in wichtigen Exportmärkten wie der USA und Großbritannien bei. Auch fehlt mit den 2020 ausgefallenen oder verschobenen Fachmessen ein wichtiges Marketinginstrument.
Zudem ist die konjunkturelle Situation der einzelnen Unternehmen stark von der Situation in den jeweiligen Zielbranchen bestimmt. Besonders leiden aktuell und sicher auch mittelfristig Werkzeughersteller, die sich auf die Automobil- und Luftfahrtbranche spezialisiert haben. Zulieferer des Handwerks und der Bauwirtschaft halten sich dagegen besser.
Deutsche Werkzeugausfuhren und -einfuhren
Nach Hochrechnungen des FWI erreichten die Werkzeugausfuhren im Jahr 2019 noch den Wert von rund 4 Mrd. Euro und lagen damit um 1 Prozent höher als im Vorjahr. Vor allem aufgrund der Pandemie unterschritten die Ausfuhren im 1. Halbjahr 2020 den Vorjahreswert um 13 Prozent. Die Werkzeugeinfuhren beliefen sich im Jahr 2019 auf 2,4 Mrd. Euro und überstiegen das Vorjahresniveau um 2,8 Prozent. Im 1. Halbjahr 2020 gingen sie um 10 Prozent zurück.
Das wichtigste Ausfuhrland sind die USA. Die Werkzeugexporte in die USA sind 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent gestiegen und kamen auf einen Anteil von 8,9 Prozent an den Gesamtexporten von Werkzeugen. Im 1. Halbjahr 2020 sind die Exporte in die USA um 15 Prozent zurückgegangen. Seit Oktober 2019 sind Strafzölle der USA auf einige Kernsortimente wie Zangen, Schraubendreher und Äxte in Kraft. Die Verhängung der Strafzölle gegen Branchen, die von der Subventionierung von Airbus durch die EU nicht profitiert haben, insbesondere jedoch deren Beschränkung auf deutsche Werkzeuge, verstoßen gegen den Geist des freien und fairen Welthandels. Die Zölle führen zu einem deutlichen Rückgang der Exporte in die USA führen sowie zu finanziellen Einbußen der Werkzeughersteller, die angesichts der sonstigen Unsicherheiten auf den Märkten und der Pandemie umso stärker ins Gewicht fallen. Nachdem sich die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Strafzölle zerschlagen haben, wurden und werden teilweise bereits geplante Investitionen bei den betroffenen Herstellern zurückgefahren. Dies hat wiederum Auswirkungen auf Zulieferer und auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller.
Folgen des Brexits für die deutsche Werkzeugindustrie
Innerhalb der letzten zehn Jahre ist Großbritannien von Platz zehn auf Platz sechs der wichtigsten Exportpartner für die deutschen Werkzeughersteller geklettert, mit einem Anteil an der Gesamtausfuhr von 5,2 Prozent. Im Jahr 2019 stiegen sie um 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr die Werkzeugexporte Deutschlands nach Großbritannien und erreichten einen Wert von 209 Mio. Euro. Dieser Anstieg ist zum Teil damit zu erklären, dass die Unternehmen die dortigen Lagerbestände erhöht haben, um Abwicklungsprobleme nach einem ungeordneten Brexit zu überbrücken. Im 1. Halbjahr 2020 sanken die Ausfuhren nach Großbritannien um 23 Prozent und damit deutlicher als die gesamten Ausfuhren. Nachdem sich die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien weiter hinziehen, herrscht auf vielen Gebieten noch Unklarheit und Verunsicherung über die ab 2021 geltenden Regeln. Befürchtet werden vor allem Probleme und Verzögerungen bei der praktischen Abwicklung von Zollformalitäten und Einfuhrkontrollen.
Fachmessen werden vermisst
Die durch Corona bedingten Einschränkungen der klassischen Wege des Vertriebs und der Kundenansprache haben den Trend zur Digitalisierung deutlich beschleunigt. Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes ist der Versand- und Internet-Einzelhandel von Januar bis Juli 2020 um ca. 21 Prozent gewachsen. Diese Größenordnung trifft sicher auch auf den Werkzeughandel zu. Klassische Wege der Kundenansprache wie Fachmessen und Kundenbesuche werden vor allem von kleineren Firmen vermisst, die oft nicht in der Lage sind, eigene Angebote wie Hausmessen erfolgreich durchzuführen. (Abb.: FWI)