Blickkontakt ist der Wegweiser in Gesprächen

Ob beim Kundenkontakt oder im Gespräch mit dem Außendienst, die Mimik bleibt als Merkmal für Emotionen und Stimmungen beim Tragen einer Maske verborgen. Wie man trotzdem die Emotionen hinter den Nachrichten entschlüsseln kann und wie sich Videocalls locker gestalten lassen, fragten wir den Experten für nonverbale Kommunikation Jakob Lipp.

Jakob Lipp ist Experte für nonverbale Kommunikation. (Foto: Lipp)

ProfiBörse: Wie stark lässt sich die Mimik auf die Augen konzentrieren, um auch in einem Gespräch mit Maske den emotionalen Subtext zu transportieren? 
Lipp:
Die Augen sind das Fenster zur Seele! Während es in Sprache und Gestik zu großen Abweichungen je nach Kulturkreis kommen kann, signalisieren bestimmte Gesichtsausdrücke weltweit die gleichen Emotionen. Hierzu zählen Freude, Ärger, Angst und Trauer, aber auch Überraschung sowie Ekel. Wenn Ihr Gegenüber also während eines Gesprächs lächelt, so erkennt man dies nicht nur durch die Stellung der Mundwinkel, sondern vielmehr durch die kleinen Fältchen, die sich um die Augen herum bilden: die Lachfalten.
Der Blickkontakt ist der Wegweiser in den Gesprächen, die wir führen. Er erleichtert den Transport und die Entschlüsselung von Nachrichten bzw. Emotionen – ob mit oder ohne Maske.
 
ProfiBörse: Welche Möglichkeiten bleiben sonst und wie lassen sich diese üben? 
Lipp:
Neben der Relevanz des Blickkontakts, ist es ebenso hilfreich, Mimik und Gestik übertrieben darzustellen. Das klingt zunächst einmal etwas simpel, wenn nicht sogar absurd. Aber wenn Sie einmal darauf achten, werden Sie feststellen, dass dies auch eine Methode im Fernsehen ist. Hier wird die Körpersprache ca. 15-25% überspitzt dargestellt, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erlangen – unnatürlich wirkt die Kommunikation deshalb nicht!
Die sogenannte 7-38-55- Regel besagt, dass drei Bestandteile für den Erfolg oder Misserfolg von Kommunikation relevant sind: Gesichtsausdruck/Körpersprache, Stimme und verbale Aussage. Die Wirkung einer Botschaft wird zu sieben Prozent durch den sprachlichen Inhalt bestimmt, zu 38 Prozent durch den akustischen Ausdruck und zu 55 Prozent durch die Körpersprache.
Durch die Maske fällt nun aber ein Teil der Mimik weg und die Gestik beschränkt sich auf den Oberkörper – also übertreiben Sie gerne etwas!

ProfiBörse: Der Außendienst bildet im PVH/Fachhandel einen starken Faktor, dieser funktioniert oft über persönliche Beziehungen und das Wissen um persönliche Themen des Gegenübers. Wie lassen sich diese Ebenen im Videocall oder per Telefon und Mail aufbauen? 
Lipp:
Man sollte auf einen persönlichen Hintergrund setzen. Mittlerweile hat es sich etabliert, virtuelle Hintergrundbilder zu verwenden, um einen vermeintlich professionelleren Eindruck zu hinterlassen, Privatsphäre zu sichern oder einfach das Chaos im Hintergrund zu kaschieren. Doch diese Ausgrenzung entfremdet zugleich. Ein persönlicher bzw. privater Hintergrund ist nicht nur ein Ausdruck von Vertrauen und Sympathie, er kann unter Umständen auch zu Gesprächsstoff führen. Zeigen Sie also Interesse an dem, was Sie sehen und stellen Sie auch gerne mal eine Frage zu dem Bild oder dem gut gefüllten Bücherregal im Hintergrund. Sie werden schnell neue Seiten an Ihrem Gegenüber entdecken und das Arbeitsklima somit positiv beeinflussen.

Wie bereits festgestellt ist die Körpersprache sehr wichtig in der Kommunikation mit seinen Mitmenschen, deshalb sollte diese trotz des eingeschränkten Bildausschnitts deutlich sichtbar sein. Das heißt, Hände zeigen und den Blickkontakt nicht vergessen! Ein Post-it neben der Kamera mit Smiley und Pfeil („Hier reinblicken und lächeln) kann hier Abhilfe schaffen.
 
ProfiBörse: Auch im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen fällt vielen der entspannte Blick in die Videokamera nach wie vor schwer. Wie können Vorgesetzte mehr Normalität bei Videokonferenzen erzielen? 
Lipp:
Auch wenn man als Führungskraft natürlich eine andere Position bekleidet als seine Mitarbeiter:innen, so sollte sich dies nicht unbedingt durch das bloße Erscheinungsbild sowie das Umfeld äußern. Das heißt, setzen Sie ruhig auf ein schlichtes, digitales Umfeld. Wir sitzen immerhin alle im selben Boot und müssen uns bestmöglich an die außergewöhnlichen Umstände anpassen, da kann gerade das Gewöhnliche etwas Vertrauensspendendes sein. Zeigen Sie Ihren Mitarbeiter:innen, dass Sie einer von Ihnen sind, halten Sie Hintergrund, Kleidung und Auftreten so unaufgeregt wie möglich und machen Sie dann gemeinsam das Beste aus der Situation! 
 
ProfiBörse: Untersuchungen zeigen, dass persönliche Besprechungen oft einen höheren kreativen Output haben als Videokonferenzen. Trifft das auch auf Gespräche mit Masken zu und wie lässt sich die Kreativität in diesen Situationen steigern? 
Lipp:
Es stimmt schon, dass bei persönlichen Besprechungen die Gefahr von Ablenkungen weniger gegeben ist, als bei Videokonferenzen, die in der eigenen Häuslichkeit stattfinden. Ob nun die Kinder im Nebenzimmer Unruhe stiften, der Hund seine Aufmerksamkeit einfordert oder der Griff zum Smartphone verlockender als je zuvor erscheint: die Konzentration aufrechtzuhalten fällt schwer. Aber! Virtuelle Konferenzen haben zumeist ein kürzeres Zeitfenster, das heißt, es wird sich mehr auf das Wesentliche konzentriert. Abschweifungen werden nach Möglichkeit vermieden, denn eines dürfen Sie nicht vergessen: Es mag Ihnen schwerfallen, der Videokonferenz volle Aufmerksamkeit und Konzentration zu schenken, doch so geht es den anderen Teilnehmer:innen auch! Behalten Sie dies im Hinterkopf und versuchen Sie darüber hinaus, die räumliche Distanz bestmöglich auszugleichen. Um die Gespräche aktiv und lebendig zu halten, setzen Sie also auf Empathie und nonverbale Kommunikation.

Bei Konferenzen mit Maske gilt das Gleiche! Setzen Sie Ideen nicht nur verbal um, sondern auch gerne zeichnerisch! Nutzen Sie wieder traditionelle Methoden, wie das Whiteboard, Flipcharts oder einfach Zettel und Stift. Hier muss keiner der Anwesenden über die Technik bzw. Handhabung nachdenken, sondern kann sich direkt in den kreativen Prozess mit einbringen.

Über den Interviewpartner:

Jakob Lipp ist Experte für nonverbale Kommunikation. Er begann seine Karriere als
Mentalist und begeisterte über 20 Jahre lang Millionen von Menschen auf den
Bühnen Europas. Mit dem Fokus auf unternehmerischen Praxisbezug und Umsetzbarkeit gibt der ausgezeichnete Bühnenprofi sein fundiertes Wissen in Theorie und Praxis weiter – so unter anderem in seinem Buch „Kommunikative Kompetenz: 36 Mentalistenkniffe für Führungskräfte“.

www.jakoblipp.com