„2024 wird ein Jahr der Wahrheiten“

Vor dem Baugewerbe in Deutschland liegt ein herausforderndes Jahr: Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe prognostiziert ein weiteres Umsatzminus von 3 % nach minus 5,3 % im Jahr 2023. Einen Blick auf die aktuelle Situation wirft Dr. Ulrich Dähne, Geschäftsführer des Messwerkzeugspezialisten Stabila. Er nimmt im Interview kritisch Stellung zu einer Reihe von Fragen im Kontext von Wirtschaft und Politik und ihren Auswirkungen auf die Situation von Herstellern, Handel und Handwerk.

Dr. Ulrich Dähne, Geschäftsführer des Messwerkzeugspezialisten Stabila, blickt vorsichtig optimistisch in das Jahr 2024: „Wir machen weiter Tempo, trotz oder gerade wegen der schwieriger werdenden Konjunktur.“ (Foto: Stabila)

Wie ist Ihre ganz subjektive Einschätzung für 2024?
2024 dürfte ein „Jahr der Wahrheiten“ werden: Nach vier außergewöhnlichen Jahren, zunächst bedingt durch die Corona-Krise, dann durch den Ukraine-Krieg, jeweils mit ihren speziellen Einflüssen auf das Nachfrageverhalten, Lieferketten, Preise, Inflation etc., dürften wir nun die wahre wirtschaftliche Lage sehen. Die Lieferketten normalisieren sich, die Lager- wie auch die Auftragsbestände sind weitgehend abgebaut. Die Politik kann keine schuldenfinanzierten Strohfeuer mehr zünden, wird aber auch nicht die Kraft zu einer dringend notwendigen Reformpolitik finden. Diese konjunkturelle Wahrheit wird in Deutschland ernüchternd sein, vor allem im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften.

Was für ein Jahr liegt vor uns – dem Handwerk, dem Handel, den Herstellern?
Das Handwerk und damit auch der Handel und die Hersteller sollten zunächst noch von einem gewissen Auftragsbestand im Baubereich profitieren, im weiteren Verlauf des Jahres dürfte aber zumindest der Wohnungsbau weiter deutlich einbrechen. Zum gewissen Maße könnte dies durch die hohen öffentlichen Investitionen, vor allem in die Infrastruktur, ausgeglichen werden, sofern es hier denn endlich zu einer Beschleunigung von Planungs- und Realisierungszeiten kommt. Die Investitionstätigkeit der Industrie dürfte hingegen weiter verhalten sein. In Summe ergibt das für die Baukonjunktur im Inland einen sehr verhaltenen Ausblick.
Ganz anders sieht es im Ausland aus. Hier entwickelt sich die Baukonjunktur trotz meist ähnlich schwieriger Rahmenbedingungen in vielen Ländern deutlich besser, allen voran in Nordamerika, aber auch in Frankreich, Italien oder im Vereinigten Königreich. Die wirtschaftliche Schwäche in China dürfte auf unsere Branche nicht so stark durchschlagen, denn hier ist die Abhängigkeit deutlich geringer als etwa im Industriebereich.

Sind die Auftragsbücher im Handwerk noch gefüllt oder gibt es da schon Lücken?
Das dürfte recht unterschiedlich sein: Bei Gewerken, die am Anfang der „Baukette“ stehen, etwa dem Rohbau, dürften die Aufträge mittlerweile so gut wie abgearbeitet sein, während Gewerke weiter hinten in der Kette überwiegend noch einen soliden Auftragsbestand haben. Dazu kommt die große Verunsicherung im Markt durch die teilweise erratische Förder- wie Regulierungspolitik. In Summe aber leert sich die Pipeline kräftig, so dass alle Beteiligten schwierigere Zeiten zu erwarten haben. Zwar ist der Baubedarf in Deutschland, vor allem im Bereich Wohnungsbau und Infrastruktur, weiter gewaltig, aber es wird eine Weile dauern, bis sich Investoren wieder, unter hoffentlich geänderten Rahmenbedingungen, engagieren werden. Für den Wohnungsbau entscheidend werden dabei die gestiegenen Baukosten und Zinsen im Verhältnis zu den erzielbaren Mieten sein, nicht etwa mögliche staatliche Förderungen und Subventionen. Die private Investitionstätigkeit in Deutschland wird in Summe für längere Zeit unter der großen Verunsicherung und den schlechten Rahmenbedingungen leiden.

Wirken sich jüngere gesetzliche Vorgaben zusätzlich negativ aus?
Die Verunsicherung und Frustration im Markt ist bei allen Beteiligten gewaltig. Auf der einen Seite glaubt der Staat, durch eine immer detailliertere Regulierung, ja Gängelung die wirtschaftliche Entwicklung in seinem Sinne steuern zu können, zum anderen versucht er dann, die negativen Auswirkungen dieser Politik durch immer maßlosere Förder- und Subventionierungsprogramme auszugleichen. Letztendlich versucht er so, das Leistungsprinzip und die Marktkräfte außer Kraft zu setzen, was auf Dauer nicht gelingen kann.
Die Liste der auf die Wirtschaft einprasselnden Zumutungen ist nahezu grenzenlos, ein Ende ist nicht absehbar. So edel die damit verbundenen Ziele auch sind, sei es der Klimaschutz, die soziale Absicherung oder die weltweite Durchsetzung unserer regel- und wertebasierten Gesellschaftsordnung: Hier tun mehr Realismus und Pragmatismus dringend Not. Die Wirtschaft ist bereit, zu diesen Zielen ihren Beitrag zu leisten. Der Staat sollte dafür die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, sich aber aus einer Detailsteuerung der Wirtschaft wieder zurückziehen. Es gibt genug zu tun für den Staat in seinen ureigenen Bereichen, etwa bei der Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung oder in den staatlich kontrollierten Unternehmen, etwa der Bahn.

Nach einem kurzen Rückblick auf 2023: Was erwarten Sie bei Stabila für dieses Jahr?
Nach zwei Jahren mit einem deutlich zweistelligen Wachstum konnten wir 2023 unseren Umsatz halten. Diese Wachstumspause war vor allem dem Abbau von Lagerbeständen bei unseren Kunden wie auch bei uns selbst geschuldet, während der Abverkauf weiter gestiegen ist, wenn auch nicht mehr ganz so stürmisch wie in den beiden Jahren zuvor.
Wir blicken vorsichtig optimistisch in das Jahr 2024: Allgemein ist der Bedarf an qualitativ hochwertigen Werkzeugen, wie wir sie herstellen, immer gegeben. Zudem sind wir mit einer Exportquote von fast 80 % in über 70 Ländern gut aufgestellt und profitieren von der weiter guten Entwicklung in vielen Märkten. Nicht zuletzt werden wir in diesem Jahr 135 Jahre alt und bringen aus diesem Anlass zahlreiche Innovationen und Aktionen auf den Markt, die uns zusätzlich Schwung geben werden. In Summe gehen wir von einem soliden einstelligen Wachstum aus.

Gibt es Ansätze, wie man die Situation gemeinsam mit dem Handel meistern kann?
Gerade in so herausfordernden Zeiten, wie wir sie aktuell in Deutschland erleben, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Handel essentiell. Selbstredend sind wir hier in einem engen Dialog mit unseren Handelspartnern. Diese schätzen die persönliche und individuelle Betreuung durch unseren eigenen Außen- und Innendienst und unsere umfangreiche Vermarktungsunterstützung. Diese setzt gezielt bei allen relevanten Kontaktpunkten in der Customer Journey an. Ich nenne da nur exemplarisch unser ProPartner-Programm mit mittlerweile mehr als 150 teilnehmenden Händlern in der DACH-Region, unsere zweimal im Jahr erscheinenden Stabila News, unsere PoS-Konzepte, aber ganz besonders auch die Ansprache der Anwender, um Nachfrage zu schaffen. Hier haben wir in den letzten Jahren immens on- und offline investiert, seien es Messen, die Unterstützung der Ausbildung des Handwerkernachwuchses oder das digitale Marketing über Social Media. Das macht sich bezahlt – für uns und für unsere Handelspartner. Deshalb machen wir da weiter Tempo, trotz oder gerade wegen der schwieriger werdenden Konjunktur.

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